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Die Kunst im Halbdunkel: Zwei Konzerte, die mir die Hoffnung zurückgaben (Meinungsbeitrag)

  • Autorenbild: Javier Alvarez
    Javier Alvarez
  • 26. Okt.
  • 3 Min. Lesezeit

In den letzten Tagen durfte ich zwei Konzerte erleben, die mir eine gewisse Hoffnung in die Zukunft der Kunst zurückgegeben haben – wie Lichtstrahlen, die die Einöde eines allumfassenden Nihilismus durchbrechen, in den ich gefallen war. Ein Nihilismus, der aus der Sinnlosigkeit entsteht, die jeder spürt, der versucht, auf traditionellem Wege in die professionelle Kunstwelt einzutreten. Ein System, das im Niedergang begriffen ist, sich aber weigert, zu sterben oder zu heilen.


Diese beiden Konzerte, jedes auf seine eigene Weise – mit seinen Formen und Ästhetiken – durchbrachen die abgestandene Monotonie, diesen muffigen Geruch von Mottenkugeln, der die „traditionelle“ Szene befallen hat: jene etablierten, polierten, klinisch reinen – und vor allem überfüllten – Räume. Monotonie, weil sie, im Versuch, sich über Wasser zu halten, immer wieder dieselben „Hits“ spielt (manche seit über 200 Jahren), um ein Publikum zufriedenzustellen, das längst weiß, was es erwartet, das nicht mehr überrascht, nicht mehr erschüttert wird. Und wenn das so ist – dürfen wir das überhaupt noch Kunst nennen?


Vielleicht muss man heute, um echte Kunst zu machen – Kunst, die bewegt, erschüttert, herausfordert – das Zentrum verlassen, in dem alle um Sichtbarkeit, Sicherheit und Anerkennung kämpfen, und sich an die Ränder des Lichts begeben, fast in den Schatten, um dort etwas zu säen, das mit Hingabe und Liebe vielleicht der Same einer Wiedergeburt der Kunst werden kann.

Denn Kunst zu schaffen kostet – und vielleicht muss sie das auch –, wie eine schmerzhafte Geburt, die eine neue Sichtweise, ein neues Leben, eine neue Hoffnung hervorbringt.


Vielleicht war es genau das, was ich erleben durfte. Vielleicht war es deshalb, dass ich so bewegt war – Zeuge zu sein, wie Künstlerinnen und Künstler mit Hingabe und Beharrlichkeit etwas Neues in die Welt bringen und uns das Privileg schenken, diese Geburt mitzuerleben.


Wie ich schon sagte: Um frei zu sein, um Neues zu schaffen, muss man sich manchmal an den Rand begeben – und den Preis dafür zahlen.


Genau das tat das Vokalensemble Rhenische Stimmen am Donnerstag, den 23. Oktober, im Weltkunstzimmer – einer ehemaligen Fabrik, die heute als Kulturraum dient. Mit seinem Projekt „Der Versuch, einen Schatten aufzuzeichnen“ („Der Versuch, einen Schatten zu zeichnen“), in einer multimedialen Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Nicolas Kuhn und der szenischen Gestaltung von Paulina Barreiro, bot das Ensemble nicht einfach ein Konzert, sondern ein Erlebnis.


Das Licht erlischt in diesem leicht unheimlichen Raum – sichtbare Rohre, geflieste Wände, eine Mischung aus Operationssaal und alter Werkstatt. In der Mitte eine Laufstegkonstruktion mit Haken, die von der Decke hängen. Seitlich zwei Leinwände, auf die live projiziert wird, was Paulina mit ihrer Kamera einfängt. Das Ensemble betritt die Szene, schwarz gekleidet, fast verborgen in der Dunkelheit. Die Musik beginnt.


Das Programm – fast eine Hommage an die menschliche Stimme in all ihren Ausdrucksformen – bot eine Vielfalt an Klangfarben: von der gesprochenen Stimme in Ablingers Werken über die feinen Klanggebilde Sciarrinos bis hin zu den Renaissance-Harmonien von Tallis und Gesualdo.

Die Inszenierung umhüllt dich: Die Musiker bewegen sich durch den Raum; eines der Werke wird vollständig hinter einem Vorhang gesungen, sodass man nur die Schatten der Interpretinnen und Interpreten sieht.


Ich weiß, wie viel Anstrengung dieses Konzert gekostet hat – schlaflose Nächte, Reisen, die Mühe, die Finanzierung zu sichern. Aber vielleicht ist das der Preis der Freiheit: der Preis dafür, zu träumen und neue Wege zu finden, Musik ans Publikum zu bringen – ohne sie zu vereinfachen oder zu banalisieren.


Das zweite Konzert, von dem ich erzählen möchte, fand heute, am Sonntag, den 26. Oktober 2025, im Partika-Saal der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf statt, gespielt vom Duo Dafne (Emma Campas, Gitarre; Gemma Vigo Mitjans, Flöte): Talent, Kreativität, Geschmack und Schlichtheit.


Emma und Gemma führten uns durch eine feministische Geschichte des Tangos, inspiriert von Nicole Nau, einer in Düsseldorf geborenen Tänzerin, die seit Jahren in Argentinien lebt.


Die Auswahl des Repertoires war wunderschön – sie ließ uns die Qualitäten von Gitarre und Flöte sowohl gemeinsam als auch einzeln genießen. Das Ganze wurde durch Lichtspiele, Bewegungen im Raum und sogar ein Tangotanzpaar ergänzt, das uns in eine Bar in Buenos Aires versetzte.

Am meisten berührte mich jedoch die Freude auf der Bühne – die Natürlichkeit zweier Musikerinnen, die tun, was sie lieben, und es mit uns teilen, fast von Auge zu Auge.


Zwei Initiativen, die aus Leidenschaft und handwerklicher Hingabe geboren wurden – und der heutigen Kunstlandschaft einen neuen Atem verleihen.

 
 
 

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